Herz Jesu und Priestertum

Der Priester, eine Schöpfung der Unendlichen Liebe

„Die Unendliche Liebe nahm alle Formen an. Sie war freigebig und großmütig wie die Liebe eines Gottes. Sie war voraussehend und weise wie die Liebe eines Vaters. Sie war zart und tief wie die Liebe einer Mutter. Der Mensch wurde mit allen Gaben, allen Gnaden, aller Schönheit ausgestattet. Doch die Unendliche Liebe blieb nicht dabei stehen. Sie fuhr fort, sich in unerschöpflicher Fülle über die ganze Schöpfung zu ergießen, und es war, nacheinander oder zu gleicher Zeit, eine Liebe, die ersetzt, erhält und belebt. Eine Liebe, die beschützt, verzeiht und erwartet. Eine Liebe, die erlöst, läutert und rettet …“

Die menschgewordene Unendliche Liebe, Jesus, „wollte ein Wesen schaffen, das sein Werk fortführen könnte, ein Wesen, das dem Menschen helfen, in aufrechterhalten und belehren, ihn Gott nahebringen könnte. Da erschuf er den Priester! …

Er legte in dessen Herz nieder die Hingebung, den Eifer, die Güte, das Erbarmen, das sein Herz beseelte. Er gab ihm Demut und Reinheit und erfüllte ihn mit Liebe. Schließlich vertraute er ihm vier erhabene Aufgaben an, die der vierfachen großen Not der Menschheit entsprechen:

• Der Mensch ist tief unwissend … Da ist es der Priester, der lehrt …

• Der Mensch ist sündig … Da ist es der Priester, der losspricht …

• Der Mensch ist unglücklich … Da ist es der Priester, der tröstet …

• Der Mensch bedarf Gottes … Und der Priester opfert ...

Das sind die hohen Aufgaben, die der Priester an der Menschheit zu erfüllen hat. Er lehrt, er spricht los, er tröstet, er opfert …
Möge der Priester zu Jesus gehen und sich eng an ihn anschließen! Seine Aufgabe ist groß, seine Arbeit kann so fruchtbar sein!

(Claret de la Touche)




Jesus - das Vorbild des Priesters

„Nach einer langen und verschwiegenen Vorbereitung von dreißig Jahren begann Jesus zu lehren. Er barg in sich die Fülle allen Wissens ... Sein Verstand besaß mühelos das Wissen, wie sein Herz die Liebe ungehindert in sich trug, ohne daß er, wie andere Menschen, erst mühsam hätte lernen müssen.

Und doch läßt Jesus dreißig Jahre vergehen, bis er seine himmlische Weisheit offenbart. Warum dieses lange Warten? Warum der Menschheit so lange das himmlische Licht vorenthalten, das die Nacht ihrer Unwissenheit bannen sollte?

Vergessen wir nicht, daß Jesus unser Vorbild ist. Er wußte, der Mensch braucht lange und mühevolle Arbeit, um sich die zur Belehrung der Seelen notwendigen Schätze der Weisheit und des Wissens zu erwerben, und er wollte seinen Priestern das Beispiel einer langwierigen, ernsten Vorbereitung geben.

Handelt es sich um weltlichen Unterricht, so genügt das Wissen und das Geschick zu lehren. Handelt es sich aber darum, Gott den Seelen und die Seelen Gott zu geben, so reicht die Bildung des Geistes nicht mehr aus. Der ganze Mensch muß umgeformt werden. Es muß selber durch eine Reihe von Prüfungen gehen und wenigstens anfangen, sich jene Erfahrung menschlichen Leides, Versagens und Elends zu erwerben, die er besitzen muß, um seine Brüder zu unterweisen und zu belehren ...

Diese Stimme Jesu, so bescheiden und so lieb, erklang nur drei Jahre lang auf einem kleinen, vor allen anderen bevorzugten Flecken Erde. Nur wenige hörten sie. Was sie lehrte, so ganz im Gegensatz zu den Ideen, die bis dahin herrschend waren, schien Torheit und Wahn und doch: es war die Wahrheit! Und die Wahrheit währt ewig. Immer wird sie schließlich über die Lüge triumphieren, nie wird sie untergehen, denn sie ist aus Gott geboren und ist unsterblich wie Gott.

Die Wahrheit! Sie muß der Priester nach Jesus und mit Jesus der Welt bringen. Um sie lehren und anderen mitteilen zu können, muß er sie selber ganz besitzen, und um sie zu besitzen, muß er sie an ihrer Quelle schöpfen. Er muß sie beim göttlichen Meister holen ...

Die Wahrheit Gottes ist unveränderlich und unwandelbar ... Auch in den Ereignissen und Wechselfällen der Zeiten ist eine Änderung der Wahrheit nur scheinbar. Je nachdem der menschliche Geist mehr oder weniger rein ist, sieht er sie mehr oder weniger klar. Die Wahrheit kann im Verstand des Menschen sich entfalten und zunehmen oder auch schwinden. Aber in sich ist sie nur eine und unveränderlich …“

(Claret de la Touche)



Der Priester als Lehrer der Seelen

„Jesus unterrichtete alle in der Wahrheit, Große und Kleine, Arme und Reiche, Kinder und Greise. Vom Obersten der Priester bis zur armen Samariterin wurden alle durch sein Wort belehrt, empfingen alle die Wahrheit aus seinem göttlichen Mund. Mit wunderbarer Beweglichkeit des Geistes und beispielloser Demut wußte er sich der Fassungskraft seiner Hörer anzupassen.

Mit Nikodemus, dem Lehrer in Israel, spricht er tief und erhaben und geht auf die höchsten Geheimnisse ein. Den Priestern und Schriftgelehrten gegenüber stützt sich seine Redeweise ganz auf das Gesetz, die Propheten, die Heilige Schrift. Vor dem Volke ist er einfach und volkstümlich. Er nimmt seine Vergleiche von der Feldarbeit, wie z. B. in seinen herrlichen Parabeln vom Sämann, vom Senfkörnchen, vom Weinberg usw.

Immer richtet er sich nach seiner Zuhörerschaft, aber nie vergibt er sich auch nur im geringsten. Nie redet er gesucht und unverständlich, auch nicht bei den erhabensten Gegenständen. Welcher Reiz liegt in dieser Lehrweise Jesu, die so lichtvoll ist und doch so einfach, so reich an himmlischer Weisheit und so frei von allem überflüssigen Beiwerk! Welch traute Majestät in jedem seiner Worte! Was für ein freundlicher Ernst und bescheidene Würde, welche Überzeugungskraft, Klarheit der Darlegung und Anmut! Welch feinempfundene, hohe Poesie in seinen Vergleichen aus der Natur!

Ja, wenn man im einzelnen den unwiedergeblichen Reiz der Rede unseres Herrn festhalten könnte! Es ist das Wort des Vaters, es ist der göttliche Meister, der vom Himmel kam, um die Seelen zu lehren. Haben wir damit nicht alles gesagt?

Auch der Priester ist es allen schuldig, sie in der Wahrheit zu unterweisen. Will er wahrhaft Apostel, wirklich Priester Jesu sein, dann muß er wie Jesus allen alles werden. Sein einziges Ziel muß dann sein: die Wahrheit mitzuteilen, die er besitzt, und die Liebe, die in ihm brennt.

Weit entfernt also, auf eine besondere Eigenart bedacht zu sein oder eine neue und ganz persönliche Methode zu suchen, die höchstens einige interessieren würde, soll sich der Priester bemühen, sich seinen Zuhörern anzupassen. Immer klar und genau, soll er die Wahrheit einfach vortragen, mit der einzigen Absicht, Gutes zu tun. Dann wird er das Geheimnis jener eindringenden Salbung gefunden haben, die aus dem Herzen kommt und die dem Priester von der doppelten Liebe zu Jesus und zu den Seelen eingegeben wird. Bei der Darlegung der Wahrheit soll er das Beste bieten, was er in sich selber hat, und soll, ohne jemand geringzuschätzen, sich ganz seiner hohen Sendung hingeben: Lehrer der Seelen zu sein.“

(Claret de la Touche)



Schwierigkeiten im Lehren (Teil 1)

„Jesus begegnete in seinem Lehren manchen Widerständen, Schwierigkeiten und Leiden. Aber seine Geduld war grenzenlos. Er ließ sich nicht entmutigen durch erdgebundene Einstellung der Geister, noch durch ihr langsames Begreifen oder durch grundlosen Widerspruch. Die Kritik, die Anschuldigungen, die Doppelzüngigkeit derer, die er zu unterrichten und zu belehren suchte, konnten ihn nicht überdrüssig machen. Er hatte nie seinen eigenen Ruhm im Auge, suchte nicht den Erfolg vor den Menschen. Er streute mit vollen Händen und vollem Herzen den göttlichen Samen in die Seelen und überließ dem Geist der Liebe die Sorge, ihn aufgehen und reifen zu lassen.

Er wußte, daß er mit seiner milden, aber doch auch strengen Moral manche stoßen würde. In seinem göttlichen Vorauswissen sah er, daß viele seiner Hörer den Samen des Lebens aus Nachlässigkeit verkümmern lassen oder ihn gar mit eigenen Händen herausreißen würden. Trotzdem ließ er nicht ab, stets seine göttlichen Lehren zu geben und allen die Schätze seiner Weisheit zu eröffnen.

Widerspruch, Mißachtung, Schwierigkeiten aller Art begegnen auch dem Priester, doch er darf sich nicht niederdrücken lassen …

… Vor allem aber soll er sich hüten, das Evangelium abzuschwächen unter dem Vorwand, den Geist der Welt und den Geist Christi einander nahe zu bringen. Er soll kein Christentum der Phantasie vortragen, um den menschlichen Leidenschaften entgegenzukommen. Die Wahrheiten des Evangeliums tragen in sich selbst die Kraft tiefer Wirkung auf die Seelen. Der Priester braucht sie nur zu zeigen, wie sie sind … Nie aber soll er sich herbeilassen zu unwürdigem Nachgeben, zu bloß menschlichem Vorgehen, zu schuldbarem Streben nach Erfolg für seine Person.

„Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfe. Seid darum klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben!“ (Mt 10,16). Diese Worte richtete Jesus an seine Apostel, an seine Priester, als er sie aussandte, um die frohe Botschaft zu verkünden. Und wie gut wußte er selbst die Einfalt und Klugheit in seinem Vorgehen zu verbinden!“

(Claret de la Touche)



Schwierigkeiten im Lehren (Teil 2)

„Wie klug zeigte er (Jesus) sich, wenn er die Seelen einzeln unterwies! Schritt für Schritt ging er voran, ertrug ihre Schwächen, verlangte von jeder Seele nur, was sie jeweils leisten konnte, wartete mit unerschöpflicher Geduld, bis sie sich der Gnade erschloß und seiner zuvorkommenden Erbarmung antwortete. Er bereitete die Geister sachte und allmählich vor, ehe er ihnen die Wahrheit enthüllte. Er richtete den niedergeschlagenen Mut wieder auf und verlangte nichts mit Ungestüm.

Welche Klugheit auch in seinem öffentlichen Lehren! Jesus achtete stets die rechtmäßige Obrigkeit und ist ein Freund des Friedens. Durch seine Weisheit weiß er die Schlauheit seiner Feinde zu vereiteln. Nach drei Jahren, in denen er seine der Welt ganz entgegengesetzten Lehren und Gesetze vorgetragen, findet sich keine Zeuge, der gegen ihn aussagen konnte, als man ihn vor den Richtern und Behörden anklagt.

Wenn er die Laster und Irrtümer brandmarkt, nennt er nie die Namen der Schuldigen. Wie klug und rücksichtsvoll ist seine Haltung gegenüber der Ehebrecherin! Welche Zurückhaltung wahrt er in seinen Worten, wenn es gilt, die Menge über die heikelsten Gebote der Moral zu unterrichten … ohne daß dadurch beunruhigende Gedanken und Schatten geweckt würden.“

(Claret de la Touche)



Schwierigkeiten im Lehren (Teil 3)

„Nach dem Beispiel seines Meisters soll also der Priester in seiner Lehrweise Klugheit und Einfalt verbinden. Will er mitten in der verdorbenen Welt, in der er leben muß, Gutes wirken, so muß er mit weltüberlegener Weisheit reden und handeln. Er sei klug in seinem öffentlichen Vortrag: weit mehr Apostel als Polemiker, viel mehr Ausspender der Gaben Gottes und Diener der Barmherzigkeit als ungestümer Welterneuerer! Der Haß wird nur durch Liebe überwunden … Sicher gilt es manchmal auch hart zu sein; aber Klugheit muß die Härte leiten, die gerechte Strenge führen und im Strafen wie auch im Verzeihen herrschen.

Der Priester sei klug in der Belehrung einzelner! Er suche die Seelen gut kennen zu lernen, bevor er ihnen Anweisung gibt. Er sei klug in der Entscheidung über Berufe, vorsichtig, wenn es gilt, die Seelen Verpflichtungen auf sich nehmen zu lassen, die ihre ganze Zukunft bestimmen und vielleicht ihr Gewissen in Unruhe versetzen können.

Der Priester sei klug vor allem in der Unterweisung, die er Mädchen und Frauen gibt ... Wieviel Unfrieden in Familien, Zwietracht unter Eheleuten, wieviel Abwege und manchmal gänzliches Verlassen des Weges der Frömmigkeit kam schon durch unklugen Rat, durch Worte, die ja im Grunde richtig und heilig waren, aber in ihrer Form mißverstanden werden konnten!

So wappne sich denn der Priester Jesu nach dem Beispiel seines göttlichen Vorbildes mit Klugheit! Er ist ebenfalls Lehrer, Lehrer der Seelen, Lehrer der Heiligkeit und Tugend. So seien also seine Worte Echo der Worte des Herrn, die ganz von Weisheit, Maß und Wahrheit getragen waren!“

(Claret de la Touche)



Jesus verzeiht (Teil 1)

„Gott ist Liebe! (1 Joh 4,8.) Sein Leben ist die Liebe: all seine göttlichen Betätigungen, sei es nach innen, sei es nach außen, sind Betätigungen der Liebe ...

Alles, was Gott nach außen schafft, ist eine Schöpfung der Liebe. Denn er ruft nur ins Dasein, um zu lieben, und all seine Betätigungen hinsichtlich seiner Geschöpfe sind ebenfalls Betätigungen der Liebe. Ob er anordnet oder schützt, ob er straft oder verzeiht, ob er seine besondere Huld schenkt oder sie entzieht: es ist immer Liebe.

Aber diese unaussprechliche Liebe nimmt verschiedene Namen an, je nachdem sie sich betätigt: wenn die Liebe befiehlt, ist es die Allmacht; wenn sie schenkt, die Güte; wenn sie straft, die Gerechtigkeit; wenn sie verzeiht, die Barmherzigkeit. Immer also lebt und wirkt in Gott die Liebe, und wenn sie sich auch in verschiedenen Formen zeigt, so ist es doch eine einzige Liebe, ein einziges Wirken, eine einzige Kraft: Gott in seiner absoluten, unermeßlichen, tiefen, unbegrenzten, unwandelbaren, ewigen Einheit.

Der Mensch ist also geschaffen worden durch die Liebe, eine fruchtbare, überfließende, freigebige Liebe, die es drängt zu geben. Liebe eines Vaters, der sein Leben mitteilen will; Liebe eines Künstlers, der Kunstwerke schaffen will. Die schenkende Liebe bereichert den Menschen im Stande der Unschuld mit ihren Gaben. Als der Mensch gesündigt hatte, sollte die strafende Liebe, die Gerechtigkeit, ihre Strenge zeigen. Aber, die verzeihende Liebe, die Barmherzigkeit, war da und tat dem Arm Einhalt, der schon erhoben war, um zu schlagen ...

Nachdem die Menschheit lange gelitten und geweint hatte, nachdem sie in vielen Heimsuchungen und langem Warten schließlich Gottes Mitleid gerührt hatte, stieg das Wort hernieder auf die Erde ...

Die namenlose Liebe, die menschgewordene Barmherzigkeit kam nicht nur, um die Wahrheit zu lehren und dem menschlichen Verstand das Licht göttlicher Klarheit zu geben. Sie kam vor allem, um der Erde die Verzeihung Gottes zu bringen ... Jesus war selber diese große Verzeihung Gottes, wesenhafte und lebende, wirksame und rettende Verzeihung. Darf man sich also wundern, wenn wir sagen: Jesu Neigung war die Barmherzigkeit? Die übernatürliche, seinem Herzen natürliche Richtung war bei ihm stets: zu verzeihen und loszusprechen.“

(Claret de la Touche)